DEEPER INSIGHTS DAY: Warum etwas schief läuft, wenn Werbung nur beim Marketer wirkt

horizont.net: Werbung kann sehr eingängig und schön anzusehen sein, aber ganz sanft an der Zielgruppe vorbeiplaudern. Wie sich das verhindern lässt, wissen Hans Mumme und Jens Wernecken – beide Client Director beim Marktforschungsinstitut INNOFACT und schildern dies den Zuschauenden beim Deeper Insights Day von planung&analyse am 20. Februar.

Hans Mumme & Dr. Jens Wernecken, INNOFACT Kommunikationsforschung

Sie beschäftigen sich mit Markeninszenierungen in der Werbung. Welche typischen Fehler begegnen ihnen immer wieder?

Hans Mumme: Jedem Werbemittel und jeder Kampagne muss letztlich eines gelingen: Der Zielgruppe die positiven Eigenschaften und die Vorteile der beworbenen Marke mit Überzeugungskraft erfolgreich zu vermitteln. Der kreativen Inszenierung kommt dabei eine wichtige Funktion zu: Sie sorgt für Aufmerksamkeit, Neugierde und Relevanz beim Rezipienten und öffnet der Markenbotschaft sozusagen die Tür. Dieses Zusammenspiel von Marke und Kreation gelingt mal besser und mal schlechter.

Der erste „Stolperstein“ ist aus unserer Sicht die vielleicht überraschende Wahrnehmung, dass einige Markenverantwortliche sich offenkundig damit schwertun, die Frage „Was soll über die Marke Überzeugendes ausgesagt werden?“ präzise zu beantworten und entsprechend die Werbeagentur zu briefen. Wie soll in einem solchen Fall eine funktionierende oder gar großartige Kreation entwickelt werden? Andererseits birgt auch die Komplementärfrage „Wie kleide ich die Markenbotschaft in eine involvierende Kreatividee ein?“ eine stets neue Herausforderung – und leider führt die Kreation bisweilen ein Eigenleben, statt zweckgebunden und zielgerichtet zur Marke zu führen.

Dass eine Markeninszenierung weniger gut gelungen ist, lässt sich an zu wenig Impact für die Marke ablesen. Wenn sich beispielsweise die erhofften Effekte auf die Markenpräferenz oder das Markenimage nicht einstellen, liegt es vielfach daran, dass die Botschaften einer Kampagne nicht tragfähig genug sind, es hohe Wahrnehmungs- und Verständnisbarrieren gibt oder die Markenaussage schlichtweg durch die Execution in den Hintergrund gerückt oder gar erdrückt wird.

Geringe Durchsetzungsfähigkeit ist oft die Folge einer kreativen Gestaltung, bei der die Marke nicht klar und deutlich im Zentrum der Inszenierung steht. In einem solchen Fall kann der Rezipient sich zwar in der Regel an die Marke erinnern, entdeckt aber wenig Neues, Interessantes oder Relevantes – mit der Folge, dass die Werbung an ihm vorbei rauscht. Entscheidend für das Durchsetzungsvermögen von Werbung ist nicht Auffälligkeit oder eine „mal ganz andere Machart“, sondern dass beim Rezipienten unmittelbares Interesse ausgelöst wird.

Aber Werbung soll doch auffallen und gerade Kreation, die einiges anders macht als gewohnt, fällt auf. Hemmen standardisierte Vorgaben nicht die Vielfalt, die letztendlich auch mit der Wirkung zusammenhängt?

Jens Wernecken: Um sich von der Informationskonkurrenz abzusetzen und möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen, sind die Qualitäten „neu oder originell“ für Werbung sehr wichtig. Aber Kreativität bedeutet mehr, nämlich dass gleichermaßen die Dimension „brauchbar oder nützlich“ berücksichtigt wird. Gute Werbung entsteht im Miteinander von Markenverantwortlichen und Kreativen und bindet dabei das Verständnis der Zielgruppe ein. Im Idealfall sind Werbemittel bzw. Kampagnen ein ausbalanciertes Ergebnis von Kreativität und erfüllen den Anspruch, etwas Besonderes und Eigenständiges zu sein, aber eben nicht losgelöst von der Marke.

Eine Blaupause für Erfolg gibt es nicht, worin gleichermaßen eine Chance wie auch eine Herausforderung bei der Werbeentwicklung liegt. Was es allerdings gibt, sind wiederkehrende Muster der Wirkungshindernisse. Wenn es zum Beispiel gelingt, einen Werbefilm zu erzählen, ohne die Marke zu erwähnen, liegt ziemlich sicher ein Brandingproblem vor, häufig einhergehend mit einer Kreatividee, die den Fokus nicht genügend auf die Marke richtet. Oder wenn die Strahlkraft einer starken Marke zwar noch durchschimmert und für akzeptable Persuasion sorgt, aber die Likeability oder das Involvierungspotenzial schlecht sind, dann sollten die Nachvollziehbarkeit und Passung der Kreatividee zur Markenaussage hinterfragt werden.

Man sieht häufig Werbung, die interessant und kreativ ist, aber der Werbezweck bleibt im Dunkeln oder ist austauschbar. Was raten Sie solchen Markenartiklern?

Mumme: Zu anders und zu sehr nach Aufmerksamkeit heischend, das geht meist schief – weil das Notwendige darunter leidet. Sie sprechen zwei Phänomene an: Zum einen die „so what uniqueness“, bei der Werbung besonders eigenständig und untypisch sein soll, aber dieser Anspruch zu Lasten von Relevanz und Aussagekraft geht. Mit dem Ergebnis, dass der Rezipient eher ratlos zurückbleibt und sich fragt, was die Werbung ihm sagen soll. Zum anderen gibt es Ideen – sowohl inhaltlich als auch kreativ – die auf der Ebene der Unverfänglichkeit und Austauschbarkeit bleiben. Wenn Werbung zum Beispiel wirklich schön anzuschauen ist, kann sie sehr eingängig und wirkungsvoll sein, aber eben auch ganz sanft an der Zielgruppe vorbeiplaudern, weil sie nichts Konkretes transportiert, das argumentativ greift. Wozu man nur raten kann, ist erstens: Sich immer wieder und konsequent der Denk- und Sichtweisen der Konsumenten klar zu werden und diese in der Werbegestaltung ernst zu nehmen. Anders formuliert: Werbung soll nicht beim Marketer oder Kreativem wirken, sondern in der Zielgruppe. Zweitens: Es gibt in der Kommunikationsforschung Verfahren und Analysen, die nachweislich helfen, die Werbung so zu optimieren, dass die Wirkung erheblich gesteigert werden kann. Diese Art der „Hilfestellung“ sollte man unbedingt einplanen und in Anspruch nehmen, auch um über den Einzelfall hinaus etwas für weitere Entwicklungen mitzunehmen.

Worauf können sich Teilnehmende am DID am 20. Februar freuen? Was werden Sie vortragen?

Wernecken: Wir werden einen sehr anschaulichen und hoffentlich kurzweilen Beitrag leisten, der vor allem Ergebnisse aus etlichen realen Fallbeispielen zeigt und diese exemplarisch nutzt, um nicht nur auf typische Probleme hinzuweisen, sondern auch Lösungsansätze aufzuzeigen. Es geht nicht darum, mit dem Zeigefinger auf wenig Effizientes zu zeigen, und wir werden natürlich auch keine „Schablone“ liefern, mit der mehr Wirkung machbar wäre. Aber: Wir werden Fragen formulieren, mit denen sich Marketer oder Kreative während des Entwicklungsprozesses einer Kampagne vergewissern können, ob sie auf dem richtigen Weg zu guter, weil involvierender und überzeugender Werbung sind.

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