„Wir versenden die KI-Ergebnisse nicht ungefiltert an unsere Kunden“ – ein Interview mit Tomislav Djoja in marktforschung.de

marktforschung.de: Im WdM-Webinar „Werbemittel-Check mit COM AI“ gibt Tomislav Djoja von INNOFACT spannende Einblicke in die Welt der KI-gestützten Kommunikation. Von seinen bevorzugten KI-Tools wie Perplexity und Trint bis hin zur Rolle von COM AI bei der Optimierung von Werbemitteln erzählt er im Interview.

Sie sprechen über KI – was ist eigentlich Ihr ganz persönliches Lieblingstool? Gibt’s da eins, das bei Ihnen ständig offen ist?

Tomislav Djoja: Im Umgang mit KI nutze ich derzeit je nach Anwendungszweck eine möglichst spezialisierte Lösung. Für Rechercheaufgaben ist es Perplexity, für die Erstellung von Transkripten von Meetings ist es Trint und für den schnellen Check von Werbemitteln, Verpackungen oder auch Websites ist es COM AI. ChatGPT als Allrounder habe ich aber auch gerne weiterhin im Einsatz.

Was war die ursprüngliche Motivation für die Entwicklung von COM AI?

Tomislav Djoja: Wir haben das Tool, wie so oft im Zusammenhang mit KI, nicht originär entwickelt, sondern als Modul in unsere Prozesse eingepasst. Es soll sowohl einen Quick-Check von Werbemitteln erlauben, als auch umfangreichere Studien sinnvoll ergänzen. KI kann man einsetzen, um Prozesse schneller zu machen, aber wir wollen auch bewusst zusätzliche Möglichkeiten der Analyse nicht ungenutzt lassen.

Welche konkreten Herausforderungen in der Werbewirkungsforschung adressiert COM AI besonders gut?

Tomislav Djoja: Die KI-Software kann schnell und präzise auf formale Unschärfen, Unstimmigkeiten oder Schwächen der Werbemittel hin prüfen. Sie zeigt auf, wie Anzeigen, Filme oder Motive für Digital schnell wahrnehmbar und gut erinnerbar gestaltet werden können, und gibt auch Handlungsempfehlungen.

Wenn COM AI ein Lieblingswerbemittel hätte – wäre es eher ein minimalistisches Plakat oder ein knallbunter TV-Spot mit tanzenden Robotern?

Tomislav Djoja: Darauf möchte ich genauso humoristisch antworten: Es könnte die Gefahr bestehen, dass sich die KI in die tanzenden Roboter verliebt und dann nicht mehr objektiv sein kann.. Aber im Ernst: Grundsätzlich geht alles, allerdings haben wir festgestellt, dass digitale Out-of-Home-Stimuli nicht so gut funktionieren. Ansonsten sind Anzeigen, Ads oder Spots ganz nach dem „Lieblings“-Geschmack von COM AI.

Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage basiert COM AI – können Sie kurz die Rolle der Eye-Tracking- und Gehirnscan-Daten erklären?

Tomislav Djoja: Wir kooperieren hierzu mit Neurons, einem der renommiertesten Anbieter für KI-Lösungen im Bereich Kommunikation weltweit. Gegründet wurde es vom Neurowissenschaftler Dr. Thomas Zoëga Ramsøy. Das KI-Tool fußt auf Eye-Tracking- und Gehirnscan-Daten von über 120.000 Probanden aus den letzten 20 Jahren und ist wissenschaftlich validiert mittels Eigenuntersuchungen sowie unabhängigen Studien. Auf diese Weise mit Trainingsdaten versorgt, schaut die KI also wie ein verständiger, erfahrener Marketer auf die Stimuli.

Wie zuverlässig sind die Ergebnisse von COM AI im Vergleich zu klassischen Pre-Tests oder qualitativen Studien?

Tomislav Djoja: Durch Eigenuntersuchungen und bereits viele Kundenprojekte wissen wir:
Die Ergebnisse sind sehr zuverlässig, insbesondere auf einer formalen Ebene. Für weitergehende Erkenntnisse ist eine Studie mit vertiefenden Fragen mit echten Menschen unerlässlich. Wir wissen aber auch, dass gerade Markenbilder, die sich über die Jahre aufgebaut haben und mit bestimmten Keyvisuals versehen sind, die KI als zu verspielt ansehen könnte. Dabei ist gelernt, dass eben ein Stausee im Sauerländischen einfach für leckeres Bier steht.

Wie läuft eine typische Analyse mit COM AI ab – was bekommt der Kunde am Ende geliefert?

Tomislav Djoja: Für unsere Kunden ändert sich erst einmal wenig: Sie senden uns ihre zu prüfenden Werbemittel zu und wir liefern ihnen kurzfristig die Ergebnisse. Sie erhalten von uns einen PowerPoint-Report mit einer Heatmap der Aufmerksamkeitsverteilung (die KI wurde ja auf Eye-Tracking-Daten trainiert) und mit vier zentralen KPIs und deren Benchmark. Zudem sind Handlungsempfehlungen enthalten, um das Werbemittel entsprechend zu optimieren.   Wichtig ist, dass wir die KI-Ergebnisse nicht ungefiltert an unsere Kunden versenden, sondern mit einem Expertenblick prüfen und einordnen. Die Erfahrung zeigt: Ein reines DIY-Tool kann die Bedürfnisse unserer Kunden nicht vollumfänglich befriedigen.

Wer darf Ihr Webinar auf keinen Fall verpassen?

Tomislav Djoja: Betriebliche Marktforschende, die den Wunsch haben, KI in ihren Prozessen einzusetzen. Sie werden von uns an die Hand genommen, denn unsere Philosophie ist, dass auch KI nicht per se die Self Service-Wundermaschine ist. Vielmehr müssen alle Ergebnisse der KI einsortiert werden. Das können wir mit unseren Experten aufgrund unserer Erfahrung.  Kurzum: Eigentlich muss man mehr wissen als die KI.

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„Marktforschung ist und bleibt sehr bunt“ – Christian Thunig, Vorstand des BVM und Geschäftsführer von INNOFACT

marktforschung.de: Der BVM feiert sein 70-jähriges Bestehen und reflektiert die Entwicklung der Branche. Themen wie Weiterbildung, KI und Datenqualität stehen laut Christian Thunig im Fokus, um Marktforschende bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten. Eine spannende Zeit erwartet die Marktforschungsbranche, in der der BVM als wichtiger Partner von Betrieblichen Marktforschenden und Instituten agieren will.

Der BVM wird 70 Jahre alt, dazu erstmal herzlichen Glückwunsch an den Verband und im weiteren Sinne die ganze Branche. Sicherlich hat sich der BVM in den letzten 70 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Welche neuen Anforderungen werden heute an einen Berufsverband gestellt, die es früher so nicht gab?

Christian Thunig: Ganz herzlichen Dank für die guten Wünsche. Verbandsarbeit ist in diesen Zeiten herausfordernd: Jede Gemeinschaft, jeder Verein, jede Community stellt sich die Sinnfrage. Menschen wollen sich an Organisationen nicht mehr ohne Weiteres längerfristig binden. Es wird alles kurzweiliger und man muss schneller Themen antizipieren und setzen. Dass es uns immer wieder gelingt, neue Mitglieder zu gewinnen, ist daher besonders bemerkenswert. Das zeigt, dass wir an den richtigen Themen arbeiten und für Unternehmen wie Marktforscherinnen und Marktforscher attraktiv sind. Insbesondere unser Seminarprogramm trägt dem Rechnung – mit immer neuen Impulsen und Themen. Hier werden ständig bestehende Themen überprüft, ob sie noch die aktuellen Bedürfnisse treffen, und neue Strömungen mit einbezogen, damit wir am Puls bleiben.

Weiterbildung ist seit Jahren ein zentraler Bestandteil der Verbandsarbeit. Welche neuen Formate und Themen haben Sie zuletzt eingeführt, um Marktforschende bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten?

Christian Thunig: Im Prinzip hat die Corona-Pandemie das Thema Online-Seminare und auch kürzere Formate befördert. Insofern haben Betriebliche genau wie Institute die Möglichkeit, Weiterbildung ideal in ihren oftmals hektischen Arbeitsalltag zu integrieren. Zudem haben wir das Seminarprogramm deutlich neu ausgerichtet, neue Themen wie bspw. natürlich auch KI berücksichtigt und die Auffindbarkeit von einzelnen Angeboten spürbar erhöht.

Netzwerke und Gemeinschaften verändern sich – was tut der BVM, um neue Mitglieder und junge Talente für die Branche zu gewinnen?

Christian Thunig: Am Ende entscheidet sich immer alles über die Menschen. Das heißt, wir versuchen, über persönliche Kontakte Young Professionals wie Seniors zu erreichen. Das ist Kleingärtnerarbeit und reicht vom Preis der Deutschen Marktforschung beim Kongress für die Deutsche Marktforschung bis hinein in die Regionalgruppen, die fabelhafte Veranstaltungen in der Fläche vor Ort bei den Betrieblichen und Instituten machen.

Die Marktforschung war schon immer eine wandelbare Disziplin. Gibt es dennoch Herausforderungen, die heute grundlegend anders sind als früher?

Christian Thunig: Das meint man immer. Die Zeit, in der man lebt, ist immer die dynamischste. Aber jede Generation hat ihre Herausforderungen. KI kommt, aber sicherlich nicht so disruptiv wie angenommen, und dennoch gewöhnen wir uns täglich an eine steigende Dosis des neuen Tools. Und wir müssen immer wieder neu denken, was das für valide Ergebnisse bedeutet.

Wie verändert die zunehmende Integration von IT und KI den Arbeitsalltag von Marktforschenden? Welche Kompetenzen werden in Zukunft besonders gefragt sein?

Christian Thunig: Marktforschung ist und bleibt sehr bunt. Der Wert, den qualitative Marktforschung bis hin zu den Morphologen und Semiologen bietet, ist wertvoll für Unternehmen. Spannend ist allerdings, dass sich selbst die qualitative Marktforschung sehr intensiv mit KI auseinandersetzt und sie nutzbringend einsetzt und damit diesen Zweig regelrecht skalieren kann, was bisher nur der quantitativen Marktforschung vorbehalten war. Das heißt: In jedem Marktforscher sitzt zunehmend auch ein kleiner ITler. Marktforschung ohne Verständnis von IT-Tools wird immer weniger funktionieren.

Der Kongress der Deutschen Marktforschung steht dieses Jahr unter dem Motto „Valide Daten, Methoden und Analytics im KI-Zeitalter“. Welche konkreten Themen und Trends stehen besonders im Fokus?

Christian Thunig: Die Marktforschung hat sich immer als sehr wandelbar und innovativ erwiesen. In diesen Tagen ist genau diese Fähigkeit wieder gefragt, denn die Herausforderungen könnten größer nicht sein: Mehr Daten, Qualitätsthemen, mehr Automatisierung und mehr Disziplinen unter dem Dach der Marktforschung – und das in Verbindung mit dem mächtigen Tool der KI ergeben einen spannenden Mix für die Zukunft. Dabei bleibt eine Mission ganz zentral: Daten müssen valide und reliabel sein. Das wollen wir versuchen zu fassen und uns auf die Zukunft auszurichten.

Datenqualität ist ein wachsendes Thema – wie kann sich die Branche gegen Clickfarmen, Bots und andere Herausforderungen wappnen?

Christian Thunig: Kommunikativ und technisch. Kommunikativ, indem klar ist, dass Billigheimer keine Qualität liefern können, technisch, indem wir die Möglichkeiten zur Detection von Betrug sukzessive erhöhen. Wir sind dem nicht ausgeliefert, sondern das ist auch Teil von Innovationen, Datenqualität immer wieder zu sichern. Insofern ist mir hier nicht bange.

Wenn Sie eine Prognose für die nächsten zehn Jahre wagen müssten: Wie sieht die Marktforschungsbranche 2035 aus?

Christian Thunig: Die berühmte Frage: Wo sehen Sie sich in 10 Jahren? Das erste Institut wurde nun vor knapp über 100 Jahren gegründet. Seitdem ist die Branche gewachsen und hat verschiedene Rollen angenommen. Daten, Erkenntnisse und Narrative bleiben weiterhin ein Bedarf. Das steckt sozusagen in den Menschen. Insofern wird es immer Marktforschung geben. Wie diese dann aussieht, wäre Glaskugel.

Und welche Rolle wird der BVM dann spielen?

Christian Thunig: Der BVM wird dann auf jeden Fall 80 Jahre alt und ein wichtiger Partner der Marktforschenden sein. Alleine kann man die neuen Herausforderungen kaum stemmen. Insofern gewinnt das Kollektiv.

Christian Thunig ist Managing Partner bei der INNOFACT AG. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Markenführung und Medien. Zuvor war der diplomierte Kaufmann 17 Jahre bei der Verlagsgruppe Handelsblatt. Er ist im Herausgeberbeirat der Plattform marktforschung.de und im Vorstand des BVM, des Berufsverbands Deutscher Markt und Sozialforscher e.V.. Er ist zudem Mitglied der Effie-Hauptjury (Deutschlands führendem Preis für Werbung, vergeben vom Gesamtverband der Kommunikationsagenturen) sowie in zahlreichen weiteren Jurys.

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BVM zum Siebzigsten: „Uns treibt die Neugier“ – ein Beitrag von Christian Thunig in Planung & Analyse von Horizont

horizont.net: Kaum zu glauben – Der BVM Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. feiert in diesem Monat seinen 70. Geburtstag. Ein Rückblick auf sieben Jahrzehnte, in denen der Verband viel bewegt hat.

Die 50er Jahre in der Bundesrepublik: Das „Wirtschaftswunder“ beflügelt die deutschen Unternehmen, der Konsum steigt, neue Produkte kommen auf den Markt. Die Hersteller wollen das Verbraucherverhalten genau erfassen und gründen Marktforschungsabteilungen. Diese nehmen gern externe Hilfe in Anspruch, die neue Marktforschungsinstitute wie Infratest, IfD Allensbach, Psyma und IFAK anbieten. Gleichzeitig richten Nielsen, GFM und GfK die ersten Handels- und Haushaltspanels ein. Die Marktforschung floriert.
Zum Zentrum der Zunft wird Hamburg, wo viele, auch internationale Konsumgüterhersteller ansässig sind. Die dort angestellten Marktforscher treffen sich bei Stammtischen, um firmenübergreifend über ihre Arbeitsbedingungen und Herausforderungen zu diskutieren. Aus diesen losen Zusammenkünften entsteht die Idee, einen Verband zu gründen. Mit diesem könnten die Mitglieder, so der Plan, auch ihre Interessen gegenüber den jeweiligen Chefetagen besser vertreten. Also wird am 3. März 1955 in Hamburg die Vereinigung Betrieblicher Marktforscher Deutschlands (VBM) gegründet, der Grundstein für den heutigen BVM.
Während im BVM also einzelne Personen organisiert sind, schließen sich die ersten Institute ebenfalls 1955 in Würzburg im Arbeitskreis für die betriebswirtschaftliche Markt- und Absatzforschung zusammen. Daraus wird später der ADM – die Basis für die bis heute praktizierte Arbeitsteilung der beiden Verbände ist also schon vor 70 Jahren gelegt.

Der VBM schaltet sich in den Folgejahren auch in öffentliche Diskussionen ein. So gibt es Anfang 1964 eine außerordentliche Mitgliederversammlung, weil in der Zeitschrift Stern eine viel beachtete „Umfrage in die Intimsphäre“ erschienen ist. Das Problem: Der Artikel verschweigt, wie die Ergebnisse zustande kamen und wer sie erhoben hat. Der Verband schlägt daher vor, dass bei Presseveröffentlichungen bestimmte Mindestangaben über Urheber und Methode von Studien gemacht werden müssen. Die Redaktionen nehmen die Empfehlung an und befolgen sie, im Großen und Ganzen, bis heute.

Aus dem VBM wird 1965 in Frankfurt der Bundesverband Deutscher Marktforscher (BVM) in seiner heutigen Ausrichtung. Vorausgegangen ist die Integration von zwei weiteren Organisationen: einem Verband für alle Einzelpersonen in der Marktforschung und einem Berufsverband, der das Berufsbild der Marktforscher pflegt. All das soll nun der BVM unter einem Dach abdecken. Die Agenda ist umfangreich: Interessenvertretung der Marktforschung, Imagepflege, Ausbildungsförderung, Weiterbildungsangebote und Aufsicht über die „ehrenhafte Berufs8ausübung“. Der BVM wächst nun schnell: 1966 gibt es schon sechs Regionalgruppen.

Die Marktforschung bekommt in dieser Zeit einen weiteren Schub: Der Mangel der Nachkriegszeit ist vorüber, die Verkäufer- werden zu Käufermärkten, das moderne Marketing entsteht. Gleichzeitig erweitert sich das methodische Instrumentarium um psychologische und qualitative Marktforschung. Der BVM sorgt dafür, dass die Qualitätssicherung nicht zu kurz kommt. 1967 wird ein Ausschuss für Berufsgrundsätze gegründet, der Standards entwickelt und ethische und praktische Arbeitsprinzipien formuliert. 1971 nehmen BVM und ADM den „Internationalen Codex für die Marketingforschung“ von Esomar und der Internationalen Handelskammer (ICC) an, der damit in der Bundesrepublik gültig wird. Die beiden deutschen Verbände arbeiten danach an Aktualisierungen des Kodex mit.

Der BVM baut nun seine Strukturen und Angebote konsequent aus. 1972 wird die erste BVM-Geschäftsstelle in Hamburg eingerichtet. Neben den jährlichen Kongressen gibt es ein umfangreiches Seminarprogramm, Fernlehrgänge, einen Infodienst für die Mitglieder und 1978 das erste „Handbuch der Marktforschungsinstitute und -berater“. Im selben Jahr wird der erste Fachbeirat gewählt. Thematisch geht es nun vor allem um Modelle, Methoden und die Integration von Daten aus verschiedenen Umfragen. Der BVM erhebt seine Stimme auch 1974 in der Diskussion um das neue Bundesdatenschutzgesetz. Der Entwurf sieht vor, von der Marktforschung eine „Unterschriftserklärung“ der Befragten zu verlangen, was die Befragungen deutlich erschweren würde. Der BVM meldet seine Bedenken an, die akzeptiert werden: Das Ausfüllen eines Fragebogens oder das telefonische Beantworten von Fragen reichen als Einverständnis für die Datenverarbeitung aus. Das Gesetz tritt 1979 entsprechend in Kraft.

Die Marktforschungslandschaft fächert sich in den folgenden Jahrzehnten weiter auf. Die Institute lagern Dienstleistungen wie die Feldforschung an externe Dienstleister aus. Zusätzlich zu persönlichen und postalischen Befragungen kommen CATI-Erhebungen hinzu. Die Marktforschung wird internationaler, globale Konzerne wie Ipsos gewinnen an Bedeutung. Der BVM stellt sich breiter auf: 1980 wird der Name in Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. geändert, die noch heute gültige Bezeichnung. Gleichzeitig öffnet man sich für Firmen- und Junior-Mitgliedschaften. Später werden Angebote für Studenten und für Personen folgen, die nur in Teilbereichen in der Marktforschung tätig sind.

Neuen Forschungsbedarf bringt 1990 die Wiedervereinigung. Auch der BVM engagiert sich in den neuen Bundesländern. 1994 zählt er bereits elf Regionalgruppen und über 800 Mitglieder. Zu diesem Zeitpunkt deutet sich langsam, aber sicher eine Entwicklung an, die die gesamte Marktforschung verändern wird: der Siegeszug des Internets. Online-Befragungen, Online-Panels und weitere digitale Methoden rufen neuartige Dienstleister wie Globalpark oder Dialego auf den Plan. Sie bekommen 1998 mit der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung (DGOF) ihre eigene Interessenvertretung.

Nach 2000 dreht sich alles um die digitale Transformation und die Auswirkungen des Internets auf die Gesellschaft. Vielen gestandenen Forschern ist die Euphorie suspekt: Sie kritisieren unter anderem die mangelnde Repräsentativität von Online-Umfragen und methodische Intransparenz.

Generative KI sorgt für starke Impulse: Wird sie dem Marktforscher Arbeit abnehmen und wo bleibt der Mensch unverzichtbar?

Der BVM, seit 2002 mit seiner Geschäftsstelle in Berlin ansässig, bemüht sich um eine ausgewogene Perspektive. Auf der einen Seite regt er seine Mitglieder an, die neuen Möglichkeiten zu entdecken, Innovationen zu testen und Ideen auszutauschen. Auf der anderen Seite sorgt er dafür, dass die qualitativen Ansprüche der Marktforschung und das bewährte Berufsbild erhalten bleiben. Um auf Missstände zu reagieren, gründet er 2001 mit dem ADM und der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute (ASI) eine gemeinsame Marktforschungsschiedsstelle. Für herausragende Leistungen vergibt der BVM ab 2005 den Preis der Deutschen Marktforschung.

Die Dynamik der Digitalisierung steigert sich in den 2010er Jahren noch einmal. Mobile Kommunikation, Social Media, Hirnforschung und Big Data bringen völlig neue Perspektiven in die Forschung. Mit Online-Access-Panels, Social Listening und Data Analytics verändert sich das Berufsbild des Marktforschers dramatisch: Neben Forschern, die Primärerhebungen durchführen, sind nun zunehmend Fachleute mit IT- und Analysekenntnissen gefragt. Gleichzeitig versprechen die Anbieter von DIY-Plattformen eine Marktforschung, die für jedermann zu Dumping-Preisen zugänglich ist.

Der BVM reagiert auf die Entwicklungen unter anderem mit der neuen Fachgruppe Data Science, die 2015 für Daten-Analysten und IT-Spezialisten gegründet wird. Darüber hinaus beschäftigt sich die Fachgruppe NEON mit Themen wie Social Media Research, Big Data, Analytics, Gamification, Crowdsourcing, Co-Creation, Automatisierung und vor allem Künstliche Intelligenz.

Der Verband setzt sich auch mit der Frage auseinander, welchen Stellenwert die Daten-Ökonomie für die Marktforschung und ihren Qualitätsanspruch hat. Er formuliert neue Leitfäden für qualitativ hochwertige und erfolgreiche Marktforschung. 2013 führt er das Signet „Marktforscher BVM“ für Mitglieder ein, die in der Berufsrolle eingetragen sind. 2018 startet er die Qualitätsoffensive „RESPECT – Das Branchenversprechen des BVM“ – gleichzeitig Leitlinie und Bekenntnis zu höchster Qualität in der Forschung. Die Bemühungen sind notwendig, denn die Marktforschung wird regelmäßig wegen dubioser Praktiken von „schwarzen Schafen“ kritisiert, unter anderem vom Spiegel mit der Artikelserie „Die Akte Marktforschung“.

Die Corona-Pandemie ab 2020 stellt den Verband vor die Herausforderung, die eigene Digitalisierung voranzutreiben und seine mehr als 1000 Mitglieder mit virtuellen Kommunikations- und Event-Formaten zu versorgen. Es folgen weitere Krisen, die die gesamte Branche wirtschaftlich stark unter Druck setzen. In den Fokus des BVM rückt das Thema Nachhaltigkeit – sowohl in der Forschung als auch in der Unternehmungsführung der Institute. Aber für die stärksten Impulse sorgt ab 2022 die Generative KI: Wie viel Arbeit wird sie dem Marktforscher künftig abnehmen – und wo bleibt der Mensch unverzichtbar? Für den Verband ein spannendes Thema: „Uns treibt die Neugier“, sagt Frank Knapp, Vorstandsvorsitzender des BVM. „Und das wird auch so bleiben.“

Christian Thunig ist Managing Partner bei der INNOFACT AG, für die er seit 2017 arbeitet. Er ist zudem im Vorstand des BVM, des Berufsverbands Deutscher Markt und Sozialforscher e.V. In der Geschäftsführung von INNOFACT ist der Diplom-Kaufmann für Personal, Marketing und Kommunikation zuständig. Zuvor war er insgesamt 17 Jahre bei der Handelsblatt Media Group tätig und gehörte der Chefredaktion der Absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing an.

„Marktforschung komplett Made in Germany“ – ein Interview mit CEO Karsten Polthier in marktforschung.de

INNOFACT ist einer der Gewinner der Imagestudie 2024/2025. Wir haben mit Gründer und Geschäftsführer Karsten Polthier darüber gesprochen, was das Unternehmen ausmacht.

marktforschung.de: Laut unserer Imagestudie gehören Sie zu den drei Full-Service Instituten mit dem besten Image in der Marktforschungsbranche. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Karsten Polthier: Ich denke, es ist die vollständige Kundenzentrierung, die wir bei INNOFACT seit inzwischen mehr als zwei Jahrzehnten verinnerlicht haben. Unsere Kunden sind dabei sehr häufig echte Partner geworden – viele dürfen wir schon seit über 20 Jahren begleiten. Sie schätzen die Schnelligkeit, Beratungsintensität sowie Flexibilität und Engagement beim Eingehen auf Anforderungen und Wünsche. Das heißt, wir haben zwar hoch standardisierte Prozesse, agieren aber dennoch immer auch individuell im Sinne des Kunden.

Ihr Institut hat acht von neun Siegeln erhalten. Welche spezifischen Leistungen oder Services tragen ihrer Meinung nach besonders zu dieser positiven Wahrnehmung Ihres Instituts bei? 

Karsten Polthier: Die zentrale Idee von INNOFACT basiert wie oben beschrieben auf schnellen Prozessen. Hinzu kommt: Alle wichtigen Ressourcen für die Marktforschungsprojekte unserer Kunden sind im Institut vorhanden und können von der Methoden-Beratung über Fragebogenerstellung, Programmierung bis hin zur Analyse und zum Reporting aus einer Hand angeboten werden – sozusagen Marktforschung komplett Made in Germany.

Unsere Serviceabteilungen wie Programmierung, Feld und Analyse machen dabei einen guten Job und halten den Consultants den Rücken frei. Das sehen die Kunden in den Projekten – und schätzen es. Und schließlich nehmen wir auch wahr, dass viele Kunden unsere Transparenz und Fairness mögen. Das fängt beim Vorschlag einer Methodik oder Stichprobengröße an und endet bei der Projektabrechnung.

Wie gehen Sie mit den sich ständig ändernden Anforderungen der Markt- und Sozialforschung um?

Karsten Polthier: Zunächst verstehen wir Markveränderungen in unserer Branche immer als Chance. In interdisziplinären Projektteams arbeiten wir kontinuierlich zu Themen wie beispielsweise Innovationen generell oder KI im Speziellen zusammen, um die aktuellen Anforderungen des Marktes mit unserem Leistungsportfolio abzugleichen. Das bedeutet aber auch, dass wir mit Augenmaß an neue Entwicklungen herangehen. Wir möchten unseren Kunden fundierte Einschätzungen geben können, wie wir aktuelle Themen oder Methoden bewerten. Häufig stellen wir nämlich fest, dass aktuelle Trendthemen der Branche noch zu wenig mit durchdachten Use-Cases unterlegt sind.

Wie gehen Sie mit den unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnissen der verschiedenen Generationen am Arbeitsplatz um? Kann es überhaupt gelingen, alle Mitarbeitenden zufriedenzustellen?

Karsten Polthier: Zufriedenheit hängt immer ganz wesentlich auch an Erwartungen. Wichtig ist es daher, ein gemeinsames Verständnis und eine entsprechende Kultur innerhalb des Unternehmens aufzubauen. Das fängt mit der Auswahl der Mitarbeitenden im Rekrutierungsprozess an, geht über das Onboarding bis hin zur täglichen Arbeit in den Teams. Und natürlich müssen wir Älteren hier auch etwas vorleben. Gemeinsame Werte und auch ein gemeinsames Verständnis einer Arbeitsethik schaffen zumindest gute Chancen für eine hohe Bindung der Mitarbeitenden an Job und Arbeitgeber.

Und dann spielt der Jahrgang des Mitarbeitenden gar nicht mehr eine so große Rolle. Und hier auch mal ein deutliches Lob: Wir nehmen unsere jüngste Generation im Unternehmen, die Dual Studierenden, als sehr verantwortungsbewusst, neugierig und einsatzbereit wahr. Und um das auch zu sagen: Home-Office ist für junge wie ältere Mitarbeitende ein wichtiger Faktor – aber in der richtigen Dosis.

Welche Maßnahmen oder Projekte haben Sie geplant, um auch zukünftig als attraktives Institut wahrgenommen zu werden?

Karsten Polthier: Unmittelbar werden wir auf der succeet in Wiesbaden unsere neue Plattform SURVEY+ präsentieren, die den gesamten Prozess von onlinebasierten Befragungen noch einmal deutlich optimiert. Die Plattform adressiert die wachsende Bedeutung von Datenqualität in der Branche und integriert drei Kernmodule: eine standardisierte Survey-Bibliothek, KI-gestützte Datenqualitäts-Checks live während des laufenden Onlineinterviews und ein darauf aufbauendes Echtzeit-Ergebnis-Dashboard. All das sind – wie immer bei INNOFACT in den letzten 24 Jahren – komplette Eigenentwicklungen. SURVEY+ setzt damit neue Maßstäbe in der Online-Marktforschung, indem es Effizienz, Qualität und Schnelligkeit in einer integrierten Plattform vereint. Und darüber hinaus setzen wir natürlich alle Hebel in Bewegung, um der tollen Anerkennung und dem Lob der Kunden im Rahmen der Imagestudie auch in Zukunft gerecht zu werden.

Karsten Polthier, Gründer & Vorstand INNOFACT AG

Karsten Polthier ist der Gründer und Sprecher des Vorstands der INNOFACT AG. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln. Bereits während des Studiums und im direkten Anschluss sammelte der passionierte Marktforscher umfassende Erfahrungen in verschiedenen Unternehmensberatungen. Gestützt auf diese Erfahrungen und Kontakte entstand 1991 die Polthier Marktforschung & Marketingberatung in Meerbusch. Nach neun Jahren erfolgreicher Beratungstätigkeit wechselte er im Jahre 2000 als Sprecher des Vorstands zur INNOFACT AG.

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Studie „Krankenkassen Apps“

horizont.net: Spätestens, seit zum Jahresanfang das e-Rezept eingeführt wurde, sind Krankenkassen-Apps ein wichtiger Kommunikationskanal zwischen den Versicherern und Patienten. Die Techniker-Krankenkasse ist dabei diejenige, die ihre Versicherten am besten zum Download der eigenen App motivieren kann: 63 Prozent der Techniker-Kunden haben sich die Anwendung auf das Smartphone geladen.

INNOFACT befragte im Rahmen seiner Studie „So appt Deutschland – Krankenkassen“ 8.695 gesetzliche Versicherte und 1.316 Privatversicherte (Brutto-Stichprobe: n=10.011 aus dem Bilendi-Panel). Die fleißigsten Nutzerinnen und Nutzer kann AXA verbuchen. 57 Prozent ihrer Versicherten nutzen die App monatlich.

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