WirtschaftsWoche Studie: Die Top-Liga der Familienunternehmen

wiwo.de: „Wer die Preise erhöht, wird in die Abzocker-Ecke gestellt.“ Eine exklusive Studie kürt 50 Familienunternehmen als besonders sichtbar, innovativ und nachhaltig. Viele Sieger sind Lebensmittelhersteller, die sich trotz aller Erfolge jetzt im Preiskampf behaupten müssen.

Selten wurde das Nervenkostüm der Nachkriegsdeutschen so stark strapaziert wie in den vergangenen Jahren: Erst belastete die Coronapandemie, dann folgten der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Inflation und der Energiemangel. „Die Vielzahl der gleichzeitig auftretenden Krisen ist für viele Menschen schwer zu fassen“, sagt Marktpsychologe Dirk Ziems, der mit seinem Team des Beratungsunternehmens Concept M regelmäßig das Befinden der Deutschen untersucht, und: „Die Polykrise wirkt sich massiv auf das Kaufverhalten und die Wahrnehmung von Marken aus.“ Das zeigt auch das Ranking der besten mittelgroßen Familienunternehmen, das das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut INNOFACT zum dritten Mal für die WirtschaftsWoche erstellt hat.

Fast 1500 Umfrageteilnehmer bewerteten Familienunternehmen nach Kriterien wie Vertrauen, Qualität, Innovation, Nachhaltigkeit und Image. Ergänzt wurden die Einschätzungen durch konkrete Geschäftszahlen, etwa zum Umsatzwachstum. Das Resultat gleicht einer Einkaufsliste: Allein 22 Lebensmittelhersteller haben es diesmal in die Top-Liga der 50 mittelgroßen Familienunternehmen geschafft. Die Auswahl reicht von den Süßwarenproduzenten Alfred Ritter, Bahlsen und Katjes bis zum Saure-Gurken-Spezialisten Carl Kühne.

Der Babykosthersteller Hipp ist im Ranking ebenso vertreten wie der Fruchtverarbeiter Zentis, der Tiefkühlanbieter Frosta oder die Molkereibetriebe Bauer, Ehrmann und Zott. Auch für Getränke ist gesorgt: Die Brauereien Krombacher und Veltins stehen auf der Liste so gut wie der Safthersteller Eckes-Granini, die Likörlegende Jägermeister und der Kaffeeröster Dallmayr. Den ersten Platz allerdings hat die Food-Fraktion nicht erreicht: Autodoc, ein Versandhändler für Autoteile, führt das Feld an. Die Berliner punkteten dank ihres aggressiven Wachstumskurses, haben bei der Qualitäts- und Imagebewertung aber noch Luft nach oben. Direkt dahinter rangiert denn auch Bärchenwurst-Hersteller The Family Butchers.

Die vermeintlich heile Welt der Vergangenheit

Vor allem Coronaeffekte dürften den Siegeszug der Lebensmittelhersteller befeuert haben. Schließlich erlebte die Branche in den vergangenen Jahren eine Sonderkonjunktur: Restaurants, Cafés und Kneipen mussten schließen, zugleich wechselten viele Menschen ins Homeoffice, und große Urlaubsreisen fielen aus.

Die Folge: Die Nachfrage verlagerte sich in die Supermärkte und ließ die Umsätze der Nahrungsmittelhersteller kräftig wachsen. Hinzu kamen die Auswirkungen der Krise aufs Gemüt und Markenimage: Klassische Marken würden Halt und Stabilität vermitteln und damit „an die vermeintlich heile Welt der Vergangenheit“ erinnern, so Ziems. Tatsächlich zeigen auch die Umfrageergebnisse von Innofact etwa für Unternehmen wie Alfred Ritter und Hipp hohe Zustimmungswerte bei Faktoren wie Qualität und Vertrauen.

Aber bleibt das so? Angesichts der Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel müssen Verbraucher sparen. Gleichzeitig sehen sich die Hersteller mit steigenden Kosten konfrontiert, wollen ihrerseits Belastungen weiterreichen. „Es gibt derzeit keine Kostenart, die nicht weiter steigt“, sagt Roland Verdev, Geschäftsführer von The Family Butchers, Deutschlands zweitgrößtem Wurst- und Schinkenhersteller.

„Es führt daher kein Weg daran vorbei, dass die Abgabepreise weiter steigen müssen.“ Bei Krombacher heißt es: „Die Produktions- und Beschaffungskosten sind in den vergangenen Monaten in fast allen Bereichen explodiert.“ Energie, Rohstoffe und Verpackungsmaterialien wie Glas hätten sich „um ein Vielfaches verteuert“. Daher will der Biermarktführer nun „intensiv“ über höhere Preise verhandeln.

Einfach wird das nicht: „Gerade bei Preiskämpfen mit dem Handel geht es schnell um ein Gut-gegen-Böse-Schema“, warnt Experte Ziems: „Wer die Preise erhöht, wird in die Abzockerecke gestellt.“ Auch die Kunden erwarten von ihren Marken jetzt ein Entgegenkommen, sei es über Aktionspreise oder günstige Familienpackungen. Die meisten Verbraucher würden momentan schließlich als „Inflationsmanager“ agieren, sagt Ziems. Sie priorisieren und budgetieren ihre Ausgaben, viele weichen auf günstigere Eigenmarken aus, greifen seltener zu Premiumprodukten. Selbst für die stärksten Familienunternehmen ist das eine Herausforderung.

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