„Wenn die Kreation ein Eigenleben führt, stellt sich zu wenig Wirkung ein“ – ein Interview mit Kirsten Fischer und Dr. Jens Wernecken in marktforschung.de

marktforschung.de: Werbung soll oftmals besonders kreativ sein. Häufig ist dann aber eine Kluft zwischen der ausgefallenen Werbekreation und dem tatsächlich präsentierten Produkt zu beobachten. Warum dies der Werbewirkung schadet und wie der COM@Test dies verhindern kann, verraten Kirsten Fischer und Dr. Jens Wernecken von INNOFACT vorab zu ihrem WdM-Event.

“Wenn die Kreation dem Produkt davonläuft!” – Welches ist Ihr Lieblingsbeispiel, wo die Kreation dem Produkt davongelaufen ist?

Kirsten Fischer: Es gibt tatsächlich sehr offensichtliche Fälle. Als ein Beispiel: Ein TV-Spot für Kaugummi, bei dem die Protagonisten in Minzblätter-Kostümen auf einer grünen Wiese tanzten – was aber völlig unverständlich blieb und subjektiv eher als albern empfunden wurde. Die Aussage in Richtung „Minzkaugummi sorgt für gute Laune“ funktionierte dann auch nicht.

Aber eigentlich haben wir das eine Lieblingsbeispiel gar nicht, denn es ist eher so, dass eine „ausgebrochene“ und dann nicht hinreichend effektiv für das beworbene Produkt bzw. Angebot arbeitende Kreation immer wieder vorkommt. In solchen Fällen ist die Kreatividee „mal ganz anders“ und dann aber leider häufig für den Rezipienten zu komplex oder zu wenig nachvollziehbar.

Was sind die Ursachen für solche Diskrepanzen?

Dr. Jens Wernecken: Ein wesentlicher Faktor ist wohl, dass die Werbung häufig besonders kreativ sein soll, im Sinne von neu oder originell. Weil man sich eine hohe Aufmerksamkeitswirkung verspricht und sich von der Informationskonkurrenz absetzen möchte. Was soweit ja in Ordnung ist.

Vernachlässigt wird dann aber manchmal, was Kreativität (in der Werbung) auch bedeutet, nämlich zugleich die Dimension „brauchbar oder nützlich“ zu bedienen – was übrigens auch Bestandteil der gängigen Kreativitätsdefinition ist. Beides, Kreation und Produkt- oder Markenbotschaft, sollten idealerweise ausbalanciert sein.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass das Briefing für die Kreativen lückenhaft oder zu wenig zielgerichtet ist. Was soll die Werbung für das Produkt zum Ausdruck bringen, welche Markenbotschaften sollen übermittelt, welche Assoziationen geweckt werden – solche Ziele sollten sehr frühzeitig und konkret definiert und vereinbart werden, damit eine kreative Inszenierung nicht „komplett freihändig“ erfolgt.

Was ist überhaupt das Problem, wenn die Werbung nicht hinreichend für das Produkt arbeitet?

Kirsten Fischer:
Wenn die Kreation ein Eigenleben führt, stellt sich zu wenig Wirkung ein.

Was man wie in der Werbung kommuniziert, ist ein tatsächlich großer Stellhebel für Effektivität. Sprich: Ein nicht sehr gut „funktionierendes“ Werbemittel wird sowohl bei flüchtigem als auch bei intensivem Kontakt nicht hinreichend leistungsfähig sein. Das sieht man spätestens bei Messungen in Trackings oder auch anhand von Marktdaten.

Mehr Spendings oder mehr Kontakte helfen dann übrigens nicht – das Investment verpufft zu einem nennenswerten Teil, wenn das Werbemittel Mängel hat. Und inhaltlich kann eine Anzeige oder ein Werbespot mit Kreationsdefiziten beim Konsumenten zu Wahrnehmungen oder Assoziationen führen, die überhaupt nicht intendiert oder für das Markenimage sogar schädlich sind.

Der natürliche Feind des Kreativen ist der Marktforscher. Aus meiner Erfahrung lassen sich Kreative nur ungern von Marktforschenden in die Kreation reingrätschen. Was macht Innofact da anders?

Dr. Jens Wernecken: Das Stereotyp des „Kreativitätskillers“ Marktforschung halte ich für längst überholt, auch wenn es immer mal wieder zum Leben erweckt wird. Was auch daran liegen mag, mit welchen methodischen Verfahren gearbeitet wird. Wenn z. B. ein Pre-Test nur den Daumen hebt oder senkt, vielleicht auch noch auf Basis wenig geeigneter Messungen zur Leistungsfähigkeit, dann muss man sich schon fragen, ob das zielführend ist.

Ein konstruktives Vorgehen, das verlässlich bewertet und zu empirisch fundierten Insights führt, ist notwendig. Denn darum geht es letztlich: die Werbewirkung zu messen und zu erklären – und zwar so, dass man mit dem Ergebnis konstruktiv arbeiten und die Werbung, wenn nötig, auch optimieren kann.

Werbetests gibt es wie Sand am Meer. Was macht das COM@Test System anders als die Tests der Marktbegleiter?

Kirsten Fischer: Wir stehen für einen holistischen Ansatz, der Evaluation und Diagnostik direkt miteinander verzahnt. Das bedeutet, dass wir natürlich eine verlässliche Bewertung der Wirkung (sowohl kurzfristiger als auch nachhaltiger Effekte) liefern, zugleich aber die Ergebnisse und wie sie zustande kommen, mit einer impliziten Kommunikationsanalyse erklären. Das führt zu konkreten, nachvollziehbaren und aufgreifbaren Insights. Quasi ein Hybrid-Ansatz mit den Vorteilen quantitativer und qualitativer Tests.

Und dies bei allen Formen werblicher Kommunikation – auch bereits schon auf Konzeptbasis, bei Werbemitteln im Entwicklungsstadium wie Scribbles, Storyboards oder Animatics, und natürlich auch bei finalisierter Werbung. Somit kann man schon sehr frühzeitig lernen, welche Auswirkungen die Kommunikationsinhalte beim Konsumenten haben und im Entwicklungsprozess von Werbung zu berücksichtigen.

Eine gelungene Kampagne benötigt mehr als nur eine gute Kreation. Welche Rolle sollte aus Ihrer Sicht der Marktforschung in dem Prozess zukommen?

Dr. Jens Wernecken: Wir sehen uns vor allem als Kommunikationsforscher – und deshalb wollen wir die Wirkung so gut wie möglich analysieren und erklären. Das ist weit mehr, als Werbung auf einen Leistungsprüfstand zu stellen, Messwerte zu erheben und dann ein Datenblatt auszuliefern. Mit Daten allein kann man konstruktiv wenig anfangen – das ist wie ein Zeugnis, das nicht sagt, was für eine Verbesserung zu empfehlen wäre. Unsere Leistung ist stattdessen die der inhaltlichen Beratung auf Basis fundierter empirischer Daten, und zwar mit dem Schwerpunkt der Optimierung. Das Ganze idealerweise in Zusammenarbeit und im Dialog mit den Werbeverantwortlichen.

Man kann eigentlich nur sagen: Fragt uns gern, lasst es uns zeigen und erklären, es lohnt sich. Allerdings: Die methodische Basis muss es natürlich hergeben! Und man sollte auch nicht den Fehler machen, aus einer Studie nun die Antwort auf alle Fragen zur Wirkung von Werbung beantworten zu wollen.

Wer darf Ihr Web-Seminar auf keinen Fall verpassen?

Kirsten Fischer: Eine spontane Reaktion eines Produktmanagers auf unsere Einladung zu diesem Webinar war: „Das Thema ist superspannend und relevant für alle Werber“. Wir würden gern ergänzen und sagen, dass es für alle Marken- und Werbeverantwortlichen und natürlich auch Werbeforscher ein relevantes Thema ist. Und unser Beitrag bestimmt gleichermaßen involvierend wie überzeugend.

Über Kirsten Fischer

 

Kirsten Fischer von INNOFACT

Kirsten Fischer absolvierte ein Studium mit Diplomabschluss in Psychologie in Berlin. Seit mehr als 20 Jahren ist sie als Kommunikations- und Markenforscherin für viele Kunden aus unterschiedlichen Branchen beratend tätig, zunächst als Division Manager bei INRA/Ipsos, dann etliche Jahre bei Kantar in Hamburg als Associate / Client Director. Seit Mai 2021 arbeitet sie als Client Director bei der INNOFACT in der Unit Kommunikationsforschung.

 

Über Dr. Jens Wernecken

 

Jens Wernecken von INNOFACT

Dr. Jens Wernecken absolvierte ein Studium mit Promotion in Kommunikationswissenschaften in Münster. Nach einigen Jahren wissenschaftlicher Arbeit ist er seit gut 20 Jahren auf Institutsseite im Bereich Marken- und Kommunikationsforschung aktiv. Nach langjährigen Stationen bei INRA/Ipsos und Kantar arbeitet er nun seit einem Jahr als Client Director bei der INNOFACT und dort ebenfalls in der Unit Kommunikationsforschung.

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