ISPO Studie: Das steckt hinter der Liebe der Deutschen zur Funktionskleidung

welt.de: Funktionskleidung ist ein Renner. Jeder vierte Deutsche will sich demnächst damit eindecken – und sie dann nicht nur bei Outdoor-Aktivitäten tragen. Der Trend hat weitreichende Folgen. Beflügelt durch die Coronapandemie wendet sich die Branche jetzt noch einer ganz neuen Zielgruppe zu.

Vor allem die Jacken werden nicht mehr nur beim Wandern getragen: Sogenannte Funktionskleidung – atmungsaktiv, regenabweisend und vom Schnitt her in der Regel eher unauffällig – hat den urbanen Raum erobert.

Ein Viertel der Deutschen plant, sich in den kommenden zwölf Monaten mit neuer Funktionskleidung einzudecken, wie aus einer von INNOFACT im Auftrag der Internationalen Fachmesse für Sportartikel und Sportmode kürzlich durchgeführten Umfrage hervorgeht. Das ist zwar ein Minus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr, doch das Interesse an Joggingkleidung und -schuhen ging deutlich stärker zurück.

In Inflationszeiten, wie sie die Republik derzeit erlebt, sparen Verbraucher generell an Mode. Dass Funktionskleidung weniger stark verliert und die Bedeutung des Outdoor-Marktes längerfristig eher wachsen dürfte, lässt sich teils durch die Pandemie erklären: Sport in geschlossenen Räumen und der Besuch von Fitnessstudios wurden zeitweise eingeschränkt, weswegen diese Aktivitäten ins Freie verlagert werden mussten.

Auch Fashion-Experte Carl Tillessen, Chefanalyst des Deutschen Mode-Instituts in Berlin, sieht einen Zusammenhang zu den Corona-Maßnahmen: „Weil die Läden und Restaurants im Lockdown ohnehin geschlossen hatten, ging es öfter raus aufs Land als rein in die Stadt“, sagt er. „Dadurch sind die Menschen heute sehr viel naturverbundener als vorher. Mit der Konsequenz, dass sie auch mehr Outdoor-Bekleidung tragen. Auch in der Stadt.“

Tillessen, der früher ein eigenes Modelabel hatte, erwartet zudem, dass der Trend zu immer bunteren Farben in der Freizeit- und Outdoor-Mode vorübergehen dürfte. „Unsere Ausrüstung soll uns helfen, uns mit der Natur zu verbinden, statt uns vor ihr zu schützen.“

Der Mode-Experte glaubt an eine Veränderung, die bleibt: „Die Bequemlichkeit, die wir uns einmal erobert haben, geben wir nicht wieder her.“ Dieser Wandel dürfte sich auf die kommenden Fashion-Saisons auswirken: mit gedeckten Farben, Braun- und Grüntönen sowie rustikalen Stoffen wie Cord, Loden oder Leder.

Aber auch Hightech werde weiter eine Rolle spielen. „Die Methode, sich mit daunen- oder hohlfasergefüllten Luftkammern vor Kälte zu schützen, kommt aus der Outdoor-Mode und findet sich heute in Jacken, Westen, zum Drunter- oder Drüberziehen, für Sommer oder Winter“, sagt Tillessen.

Neu sind solche Einflüsse auf die allgemeine Mode nicht, auch wenn sie häufig in Vergessenheit geraten sind. Wer denkt zum Beispiel beim Trenchcoat noch daran, dass dieser im Ersten Weltkrieg ein Uniformmantel war? „Aber auch Bomberjacken oder Springerstiefel sind heute modischer Mainstream“, sagt Tillessen. „Obwohl hier die militärische Herkunft noch erkennbar ist.“

Er hält allerdings nichts davon, einen Zusammenhang zwischen militärischen Ereignissen und Military Looks in der Mode zu konstruieren. „Es gibt viele Kleidungsstücke, die es von der Uniform in die Outdoor-Mode geschafft haben und von da Modetrends geworden sind, wie zum Beispiel der Parka.“

Bei Outdoor-Bekleidung geht der Trend zur Vermischung der Lebenswelten derweil weiter. Es gibt mittlerweile zahlreiche Outdoor-Marken – und viele von ihnen wollen auch gar nicht mehr nur Wanderer und Bergsteiger ansprechen.

Umgekehrt schielen selbst Luxusmarken auf Naturfreunde. So hat sich das italienische Modeunternehmen Gucci jüngst mit dem US-Outdoor-Anbieter The North Face zusammengetan und eine gemeinsame Kollektion von Daunenjacken, Overalls und Wanderrucksäcken herausgebracht.

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