Handelsblatt Studie: Die Tesla-Rivalen holen auf: So bewerten Flottenmanager E-Autos

handelsblatt.com: Der E-Auto-Pionier hat sich früh einen festen Platz im Firmenwagensegment gesichert. Mit neuen Modellen fordern etablierte Hersteller die Kalifornier nun heraus.

Dirk Brauns Reise in Richtung Elektromobilität begann mit einer Enttäuschung. Präsentierten die angestammten Leasinganbieter verfügbare Modelle, schüttelte der Fuhrparkleiter von Bridging IT den Kopf: Zu gering waren die Reichweiten, Lademöglichkeiten für Langstreckenfahrten fehlten. „Wohl oder übel sind wir dann bei Tesla gelandet“, sagt Braun. „Es gab einfach nichts anderes.“ Zehn Teslas bestellte Braun 2014 für Mitarbeiter des Mannheimer Beratungsunternehmens – ein Wagnis, gab es damals doch kaum Erfahrungen mit der Marke.

Doch die vermeintliche Notlösung hat sich bewährt: „Wir haben durchweg positive Erfahrungen gemacht.“ Manche Kollegen, so berichtet Braun, fahren inzwischen ihren dritten Tesla – möglich macht es die regelmäßige Erneuerung des Fuhrparks im Rahmen der Leasingverträge. Auch zwischenzeitlich erhobene Zuzahlungen aus eigener Tasche schreckten die Tesla-Fans nicht ab. Aktuell kommen 24 von 248 Autos im Fuhrpark der Beratung von den Kaliforniern.

Wie Bridging IT sind auch viele andere Unternehmen, die nach rein batterieelektrischen Autos gesucht haben, zunächst bei Tesla gelandet. Seit Mitte 2012 produziert der kalifornische Hersteller sein Model S – und war damit im Oberklassesegment lange konkurrenzlos.

Der frühe Start wirkt bis heute nach, wie eine exklusiv für das Handelsblatt erstellte Branchenstudie des Düsseldorfer Marktforschungsunternehmens INNOFACT zeigt. In einer Onlinebefragung haben 275 Flottenmanager 39 verschiedene E-Autos – mit reinem Elektroantrieb sowie Plug-in-Hybride – bewertet.

Alle drei bisher erhältlichen Tesla-Modelle landen in der Gesamtwertung in den Top Ten. Der Spitzenplatz gehört dabei dem im Vergleich zum Model S günstigeren Model 3, das in Europa seit Anfang des vergangenen Jahres erhältlich ist.

Doch Teslas Vorsprung schwindet – denn es gibt mehr und mehr Alternativen der etablierten Marken. In den Zulassungszahlen zum Flottenmarkt zeigt sich das bereits, wie Auswertungen des Frankfurter Analysehauses Dataforce ergeben.

Demnach hatte Tesla vor zwei Jahren noch einen Marktanteil von 16,5 Prozent im E-Auto-Segment. In diesem Jahr sind es nur noch 7,6 Prozent – mit großem Abstand Marktführer ist nun Volkswagen. „Den etablierten Herstellern spielt in die Karten, dass viele Flottenmanager neuen Marken skeptisch gegenüberstehen“, sagt Dataforce-Analyst Benjamin Kibies.

Auch Elektropioniere wie Bridging IT entdecken die alteingesessenen Hersteller neu: Zwar dominiert bei der Beratung noch Tesla. Doch die Hälfte der nunmehr 50 E-Autos kommt bereits von anderen Marken. „Die Vielfalt wird größer – und das ist gut so“, sagt Fuhrparkchef Braun. Im Portfolio seien nun etwa auch Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzernsowie von Hyundai, Renault und BMW.

Erstaunlich hoch in der Gunst der Flottenmanager steht mit Mercedes auch ein deutscher Hersteller, der laut Dataforce im Plug-in-Segment zwar Marktführer im Flottenmarkt ist – bei reinen Elektroautos mit einem Marktanteil von nur 2,5 Prozent aber bisher kaum eine Rolle spielt.

Im Ranking finden sich dennoch die ersten drei rein batterieelektrischen Modelle der EQ-Reihe unter den ersten zehn Plätzen. Den beiden SUVs und dem Kleinbus stellt Mercedes nun die Oberklasselimousine EQS und den kleineren Bruder EQE zur Seite, der als Rivale von Teslas Model S gehandelt wird.

Apps gegen die Skepsis

„Unser Portfolio ist mittlerweile so breit aufgestellt, dass wir alle Anforderungen in Fuhrparks erfüllen“, sagt Frank Kemmerer, der bei Daimler das Flottenkundengeschäft leitet. „Damit können wir bei batterieelektrischen Fahrzeugen im Premiumbereich in Führung gehen.“ Gewinnen wollen die Stuttgarter bei ihrer Aufholjagd auch Dienstwagenfahrer, die der E-Mobilität skeptisch gegenüberstehen: Per App können Interessierte ihr Fahrprofil überprüfen. Die Software verrät dann, welche EQ-Autos passend wären. „Der Markt befindet sich gerade erst in der Hochlaufphase“, sagt Kemmerer.

Das Momentum für E-Mobilität ist indes so groß wie nie, zeigt die Dataforce-Analyse der Zulassungszahlen. Demnach wurden im sogenannten relevanten Flottenmarkt im August erstmals mehr reine E-Autos und Plug-in-Hybride zugelassen als Dieselfahrzeuge. Betrachtet werden dabei gewerbliche Zulassungen ohne Autovermietungen sowie Händler und Hersteller. Das Bild dürfte sich laut INNOFACT-Studie verfestigen. Gefragt nach der präferierten Antriebsform bei einer Vergrößerung der Flotte, nannten die Teilnehmer viel häufiger E-Autos als Verbrenner.

Bei Bridging IT will Dirk Braun ebenfalls aufstocken. Zwar habe man noch immer einen hohen Verbrenneranteil, räumt der Flottenmanager ein. Das wandele sich nun aber. „Am Anfang waren es die im positiven Sinne Bekloppten und Technikfans, die überhaupt ein E-Auto haben wollten“, berichtet er. „Jetzt wird es für alle zu einer Alternative – auch dank der steuerlichen Vorteile.“

Ein großer Bremsklotz waren in der Vergangenheit oft die geringen Reichweiten – auch wenn viele Fahrzeuge im Alltag nur für vergleichsweise kurze Strecken genutzt werden. Mit Reichweiten über 500 Kilometer hat Tesla hier lange herausgestochen und liegt in dieser Kategorie im Innofact-Ranking weit vorn.

Doch auch andere Hersteller setzen in der Mittel- und Oberklasse auf immer größere Batterien. BMW etwa stellt für sein neues SUV iX eine Reichweite von mehr als 600 Kilometern in Aussicht. Mercedes verspricht für das Flaggschiff EQS sogar bis zu 770 Kilometer. „Die Frage nach der Reichweite stellt sich damit gar nicht mehr“, sagt Daimler-Manager Kemmerer.

Hinzu kommt: Der Aufbau öffentlich zugänglicher Ladesäulen schreitet voran. Die Anzahl von Ladepunkten und Ladestandorten hat sich innerhalb von drei Jahren mehr als vervierfacht, ergab ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Tüv Rheinland.

Gerade bei längeren Fahrten findet man inzwischen an der Autobahn ausreichend Möglichkeiten zum Stromtanken – unabhängig von der Fahrzeugmarke. Lange hatte Tesla hier mit seinen „Superchargern“ ein Alleinstellungsmerkmal. Ein zweiter Vorbehalt im Ladekontext treibt weniger die Fahrer als vielmehr die Flottenmanager um. Die Mehrheit, so ergab die Innofact-Befragung, fürchtet, dass die Abrechnung bei Ladevorgängen mit einem größeren Aufwand einhergeht als beim Tanken fossiler Brennstoffe.

Doch auch in diesem Punkt ist viel Bewegung in den Markt gekommen. Sowohl Anbieter klassischer Tankkarten als auch Start-ups bieten entsprechende Abrechnungssysteme an – der Vertrieb läuft mitunter direkt über Leasinggesellschaften und Fahrzeughersteller. Daimler beispielsweise kooperiert mit New Motion. Die Shell-Tochter bietet Ladelösungen für Unternehmen, für zu Hause und auch für unterwegs an. Bei Plug-in-Hybriden wird sowohl der Ladestrom als auch der Sprit über eine Karte abgerechnet. Es werde „alles intelligent miteinander verbunden“, sagt Kemmerer.

Diskussion um Rabatte

Beim Wettlauf mit Tesla hilft den traditionellen Herstellern, dass die meisten sich bei Dienstwagen auf bestimmte Marken beschränken – schon um die Komplexität zu reduzieren. Dabei dominieren bisher die deutschen Hersteller, wie die Innofact-Befragung zeigt.

Dienstwagenfahrer können beispielsweise in 52 Prozent der Fälle ein Auto von BMW wählen, aber nur in jedem vierten Unternehmen ist ein Tesla eine Option. SAP beispielsweise hat sich trotz einer großen Nachfrage dagegen entschieden, Teslas als Dienstwagen zuzulassen. Im Handelsblatt kritisierte Flottenchef Steffen Krautwasser im Frühjahr, Reparaturen dauerten zu lange.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung mancher Unternehmen ist die Preispolitik. „Vielen Flottenchefs stößt übel auf, dass Tesla – zumindest offiziell – keine Großkundenrabatte gewährt“, sagt Dataforce-Analyst Kibies.

Dennoch werde sich Tesla wohl einen festen Platz im Dienstwagenbereich sichern. Denn das Markenimage sei nach wie vor gut. Neuen Schub könnte das Model Y bringen, das erst seit vergangenem Monat in Europa ausgeliefert wird. Das Elektro-SUV bediene die Nachfrage nach viel Stauraum, sagt Kibies – und habe gute Chancen, im Flottenmarkt zum Bestseller zu werden.

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