„Ein Techi, ein marketingorientierter Betriebswirtschaftler und ein Psychologe – das passte perfekt zusammen.“ Interview mit Karsten Polthier zu 20 Jahre INNOFACT

marktforschung.de: Das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut Innofact wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Wir sprachen mit Karsten Polthier, Gründer und Sprecher des Vorstands, über die Anfänge, was das Institut ausmacht und warum das Unternehmen heute noch immer erfolgreich besteht. Und warum der Gründer optimistisch ist, dass die Marktforschungsbranche auch noch in fünf Jahren genug zu tun haben wird.

20 Jahre Innofact: Wie war das am Anfang? Was ist der Gründungsmythos von Innofact? Wann wurde aus der Polthier Marktforschung & Marketingberatung die Innofact?

Karsten Polthier: Interessant ist hier ein Projekt, welches wesentlich zur späteren Gründung von INNOFACT beigetragen hat. Ich sollte ich im Jahr 1999 für den Buchhändler Thalia – erfreulicherweise heute noch treuer Kunde von INNOFACT – eine Typologie der deutschen Buchkäufer entwickeln. Im Zuge dieses Projekts brauchte ich methodische Unterstützung – und fand sie bei meinen späteren Gründungspartnern Ralf Kahsmann und Dr. Stefan Niebrügge mit Ihrer damaligen Dr. Niebrügge & Partner aus Osnabrück. Wir stellten im Zuge der Zusammenarbeit schnell fest, wie gut sich unsere Kompetenzen ergänzten: Ein Techi, ein marketingorientierter Betriebswirtschaftler und ein Psychologe – das passte perfekt zusammen. Zeitlich befanden wir uns in der New Economy Ära und als schon einigermaßen gestandene Marktforscher fanden wir die Idee, über das Medium Internet Meinungen und Einstellungen der Verbraucher zu erheben, absolut faszinierend. Und die ersten Gehversuche der Methode waren vielversprechend. So war die Idee für INNOFACT geboren – und dann auch relativ schnell umgesetzt.

Was waren die ersten Projekte, die Innofact durchgeführt hat?

Karsten Polthier: Wir konnten bei INNOFACT die bestehenden Kunden unserer beider Gründerunternehmen mitnehmen. Wir mussten somit nicht bei null anfangen. Und so waren von Beginn an der Retail-Sektor und die großen Unternehmensberatungen, die uns gerne als Werkbank in ihren Projekten nutzen, treue Begleiter unseres Weges. Und durch unseren damaligen Gründungs-Mitgesellschafter, die Verlagsgruppe Holtzbrinck, kamen zudem Projekte aus dem Medienbereich hinzu.

Wie kommt es zu den unterschiedlichen Standorten in Lengerich und Düsseldorf?

Karsten Polthier: Das ist einfach geschichtlich über die Lebensmittelpunkte der Gründer gewachsen. Ralf Kahsmann als IT-Vorstand lebte und lebt in Lengerich und baute dort – genau in der Mitte zwischen Münster und Osnabrück – das IT-Team und die Abteilung auf.

Mein präferierter Standort war und ist Düsseldorf – und so fiel die Entscheidung, dass Düsseldorf quasi das Headquarter der damals noch kleinen INNOFACT AG wurde. Ein nicht unerheblicher Vorteil für Unternehmensgründer ist die Tatsache, dass man sich seine Standorte selbst aussuchen kann.

Zurückblickend über die 20 Jahre: Welche Meilensteine haben INNOFACT zu dem gemacht hat, was es heute ist?

Karsten Polthier: Wir sind im Grunde organisch über die Jahre immer weiter kontinuierlich gewachsen. Basis war und ist eine eher konservative Geschäftspolitik, die uns das solide und gute Wachstum über die letzten 20 Jahre beschert hat. Für den Erfolg war die Etablierung der Online-Marktforschung als Methode in den Anfangsjahren natürlich ein zentraler Meilenstein. Wie fast immer bei neuen Methoden kam der Erfolg hier nicht von alleine und auch nicht über Nacht.

Ich erinnere mich an intensive Methodendiskussionen und Pilotprojekte mit Kunden, die durchaus Zeit und Kraft gekostet haben. Aber mit entsprechender Qualität in der Projektumsetzung kamen das Vertrauen der Kunden und damit auch der Erfolg der Methode Schritt für Schritt. Weitere wichtige Meilensteine waren sicherlich die jeweils sehr erfolgreiche Ausgründung unserer Panelgesellschaften Panelbiz und GapFish. Und natürlich unsere erste Auslandsniederlassung in der Schweiz, wo sich die heutige INNOFACT Schweiz AG sehr erfolgreich entwickelt hat.

Welche schwierigen Phasen gab es im Verlauf der Jahre? Welche Entwicklungen waren besonders herausfordernd? 

Karsten Polthier: Es klingt vielleicht eher langweilig, aber es gab in den 20 Jahren keine wirklich existenzbedrohenden Phasen. Das Platzen der DotCom-Blase direkt zu Beginn unserer INNOFACT-Zeit, der 11. September 2001 mit all seinen fürchterlichen Folgen oder die Finanzkrise 2008/2009 waren schon harte Einschläge. Ich glaube aber, die Marktforschungsbranche ist dabei nicht so anfällig wie viele andere Branchen. Gerade in Zeiten mit großen Veränderungen ist Marktforschung besonders wertvoll – das bestätigt sich jetzt auch wieder in der COVID 19-Krise. Die Krisen von außen haben also höchstens mal Entwicklungen bei INNOFACT verlangsamt.

Und von innen haben wir uns in den 20 Jahren unsere eigene Kultur entwickelt, die uns dabei hilft, das Mitarbeiterwachstum zu stemmen, ohne dabei komplett unser Gesicht zu verändern.

Die größte Aufgabe ergab sich in Sachen Unternehmenskultur, weil wir uns von einem kleinen Startup zu einem Unternehmen mit einer unit-artigen Organisationsform transformiert haben. Hier bestehen immer die beiden Gefahren, dass man einerseits auf dem Wachstumsweg Mitarbeiter gedanklich und motivatorisch verliert, und andererseits, dass der Kunde gefühlt weiter wegrückt. Das haben wir gelöst, in dem wir unseren Units große Handlungsspielräume gegeben haben, so dass sie selbst unternehmerisch handeln können und auch entsprechend am unternehmerischen Erfolg des Unternehmens bzw. ihrer Unit beteiligt sind. So versuchen wir auch als inzwischen schon relativ großer Player in der Branche, weiterhin eine Mentalität und Kultur zu leben, die von flachen Hierarchien, viel Verantwortung für den Einzelnen, Schnelligkeit und Offenheit geprägt ist. Das klappt natürlich nicht immer, in Summe zeigen aber die sehr niedrigen Fluktuationsraten, dass sich unsere Mitarbeiter/-innen in diesem Umfeld wohl fühlen.

INNOFACT scheint das Corona-Jahr vergleichsweise gut durch überstanden zu haben. Wie verlief das letzte Jahr?

Karsten Polthier: Im Grunde haben wir nur von Mitte März bis Ende April letzten Jahren einen Einbruch gehabt, als sich das ganze Land und auch die Unternehmen neu sortiert haben, um ins Homeoffice zu kommen und Prozesse so umzustellen, dass sie auch unter Corona-Bedingungen funktionieren. Das haben wir deutlich gemerkt.

Es war aber weniger die Tatsache, dass die Unternehmen weniger Aufträge vergeben wollten, sondern dass einfach die Ressourcen zunächst in diese doch einschneidenden Umstellungen geflossen sind. Seitdem scheinen die Kunden gerüstet zu sein und haben ihren Betrieb wieder hochgefahren. Wir haben jedenfalls wahrgenommen, dass es schon ab Mai normal weiterging und seitdem der Auftragseingang auf gewohntem oder sogar wachsendem Niveau ist. Im Grunde fehlt uns in der Bilanz vom letzten Jahr der April. Zum Glück konnten wir somit auf Kurzarbeit auch komplett verzichten.

Was sind die drei Hauptfaktoren, weshalb es INNOFACT heute noch erfolgreich gibt?

Karsten Polthier: Vielleicht gibt es nur einen: Absolute Kundenzentriertheit. Wir versuchen immer, die Fragestellung unserer Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei müssen wir keine Instituts-Standardtools verkaufen. Wir verstehen uns eher als moderne Manufaktur, die es gleichzeitig mit digitalen Prozessen schafft, unseren Kunden den höchsten Nutzen auch in Sachen Schnelligkeit und Kosten zu bieten. Dazu gehört auch, dass wir unsere Kunden sehr fair beraten. Wenn aus unserer Sicht mal eine kleinere Stichprobe ausreicht oder ein methodischer Projektbaustein nicht zwingend notwendig ist, sagen wir unseren Kunden das. Und ich glaube, erstaunlicherweise haben wir uns in den 20 Jahren mit x-tausend Projekten noch nicht einmal mit einem einzigen Kunden ernsthaft über einen Rechnungsbetrag gestritten.

Die Marktforschungsbranche verändert sich stark: Was sind aus Ihrer Sicht die großen Herausforderungen in den nächsten fünf Jahren?

Karsten Polthier: Das ist eine gute Frage. Über die Zukunft zu philosophieren ist immer ein bisschen schwierig, zumal es in unserer Branche gegenläufige Entwicklungen gibt. Z.B. auf der einen Seite der Kundenwunsch nach Self-Service in der Marktforschung, der aber einhergeht mit einer Personalknappheit der Unternehmen bei betrieblichen Marktforschern und damit fehlenden Ressourcen.

Ich denke wir Institute können uns in diesem Spannungsfeld gut positionieren, indem wir mehrgleisig fahren. Einerseits den Kunden durchaus auch Lösungen anbieten, mit denen sie autarker arbeiten können. Andererseits aber immer auch die eigenen Kompetenzen und Ressourcen für Full-Service mitanbieten, sodass der Kunde am Ende die Wahl hat. Dementsprechend sehe ich für die nächsten 5 Jahre auch keine wirklich disruptiven Veränderungen oder Herausforderungen für die Branche. Data Analytics wird sich natürlich weiter entwickeln. Befragungen werden aber immer noch eine zentrale Rolle spielen, um auch das „Warum“ aus den Daten herauslesen zu können. Und natürlich sollte man sich als Institut kontinuierlich mit der Weiterentwicklung von Themen und Tools beschäftigen, welche die Digitalisierung mit sich bringt. Bei uns momentan z.B. die Möglichkeit, dass Befragungsteilnehmer an digitalen Surveys ihre Antworten nicht mehr aufschreiben, sondern sprechen können, inklusive eines automatisierten Codings der Antworten. Insgesamt wird die durch Corona nochmal beschleunigte Digitalisierung der Marktforschungsbranche guttun.

Es gab etliche Konsolidierungs- und Fusionswellen in der Marktforschung. Warum ist INNOFACT heute immer noch eigenständig? Angebote dürfte es im Laufe der Jahre ja genug gegeben haben.

Karsten Polthier: Wir hatten und haben immer noch das Gefühl, dass die Geschichte von INNOFACT auch nach 20 Jahren noch nicht zu Ende erzählt ist, und wir in unserer heutigen Organisations- und Eigentümerstruktur noch sehr viel erreichen können. In einem inhabergeführten Unternehmen – und wir haben inzwischen ja auch schon einige unserer Mitarbeiter als neue Aktionäre gewonnen – sind die Wege kurz und die Entscheidungen bei Bedarf schnell getroffen. Damit können wir ohne jeden Druck möglicher externer Eigentümer genau das tun, was uns für die Weiterentwicklung von INNOFACT und für unsere Kunden richtig und wichtig erscheint. Und ganz am Rande: Das Arbeiten macht so auch nach 20 Jahren noch extrem viel Spaß.

Gibt es besondere Rituale in der Firma, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben?

Karsten Polthier: Wir feiern gerne. Insofern war es mit die größte Herausforderung im Corona-Jahr, dass im Grunde nichts ging: Normalerweise begehen wir Kirmesanfang in Düsseldorf auf den Rheinwiesen jeden Sommer und wir feiern sehr ausgiebig im Karneval Altweiber. Aber zumindest die Weihnachtsfeier haben wir uns nicht nehmen lassen. Wir haben sie im letzten Dezember coronabedingt online gefeiert. Und es ist eine besondere, bemerkenswerte Feier geworden: Die letzten Mitarbeiter sind aus dem „Zoom-Weihnachtsmeeting“ gegen 3 Uhr morgens ausgestiegen.

Karsten Polthier studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln. Bereits während des Studiums und im direkten Anschluss konnten umfassende Erfahrungen in verschiedenen Unternehmensberatungen gesammelt werden. Gestützt auf diese Erfahrungen und Kontakte entstand 1991 die Polthier Marktforschung & Marketingberatung in Meerbusch. Nach neun Jahren erfolgreicher Beratungstätigkeit wechselte er im Jahre 2000 als Sprecher des Vorstands zur INNOFACT AG.

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